Ukraine

Am nächsten Tag sind wir zeitig auf den Beinen, hissen unser Ukraine- "Fähnchen" und stellen uns auf grenzüberschreitenden Stress ein…..

Doch weit gefehlt…. natürlich dauert alles seine Zeit; nach drei Stunden haben wir die Abfertigung in Polen, bedingt durch den Rückstau aus der Ukraine, absolviert. Auf ukrainischer Seite werden wir höflich und zuvorkommend behandelt. Ein „Grenzführer“ aus der Zollabteilung erklärt uns auf Englisch das Procedere und begleitet uns auf allen Stationen, die zu durchlaufen sind, bis wir schließlich nach nochmals 2 Stunden die Grenzformalitäten hinter uns haben. Niemand hat auch nur einen Fuß in unsere „Privatgemächer“ gesetzt, um irgendetwas zu kontrollieren. Unsere in mühsamer Kleinarbeit erstellte Inventarliste (12 Seiten) erwies sich als völlig überflüssig (bis jetzt - die Ausreise steht noch bevor). Wir sind mehr als positiv überrascht und setzen unsere Reise ins Landesinnere auf gut befahrbaren Straßen erleichtert und beschwingt fort. Am frühen Abend erreichen wir Lemberg und „logieren“ auf Empfehlung von „MIR-Tours“ auf dem Gelände der Pferderennbahn.

 

 

Lemberg (L´viv)

Von der Sonne geweckt und nach einem gemütlichen Frühstück machen wir uns per Taxi auf den Weg in die legendäre Altstadt von Lemberg (L´viv), eine Stadt, die wohl kaum wie eine andere den Wechselbädern der Geschichte ausgesetzt war und inzwischen auf der UNESCO-Liste (Weltkulturerbe) steht. Allein an der Vielzahl der Kirchen unterschiedlichster Ausrichtungen wird ersichtlich, dass wir uns hier in einem Schmelztiegel der Kulturen befinden, die heute friedlich nebeneinander leben und sich offensichtlich respektieren. Die Ukraine, ein „Kleinkind“ , was Eigenständigkeit betrifft, war in der Vergangenheit  abwechselnd aufgeteilt zwischen Polen, Russland und der ungarisch-österreichischen Monarchie. Wir sind fasziniert von der abwechs-lungsreichen Architektur. Es sind alle Baustile von Renaissance über Barock bis Klassizismus und Jugendstil vertreten – ein wahres Kleinod, diese Stadt und für jeden Architekten ein Muss (Ussi!!!). Viel gibt es noch zu tun, denn die Fassaden bröckeln.

Wir schlendern begeistert durch die begrünte Altstadt, besuchen Kirchen, in denen die Leute an einem Werktag an den Beichtstühlen Schlange stehen, kehren in gut besuchten Cafés ein, laufen über Märkte, die in Vorbereitung auf das orthodoxe Osterfest alle erdenklichen Utensilien, u.a. reich verzierte Ostereier in allen Größen und Farben bereithalten und genießen den Trubel der Jugend auf den Boulevards. Hier pulsiert das Leben….

 

(weitere Bilder in der Bildergalerie)

 

Unterwegs nach Kiew - 30.04./01.05.13

Ehe wir uns von Lemberg verabschieden, statten wir dem Krakauer Markt noch einen Besuch ab. Es ist noch relativ früh am Morgen und noch geht es gemütlich zu in diesem "Irrgarten". Gegen Mittag wird das Gewimmel in den engen Gassen und der nicht abreißende Autoverkehr unerträglich und wir ergreifen die Flucht, kehren zu unserem Rolling Home zurück und starten in Richtung Kiew.

Die Straßenverhältnisse sind besser als vorausgesagt. Trotzdem gestaltet sich die Reise bis zu unserem ca. 260 km entfernten Zwischenziel sehr zähflüssig. An der Straße zwischen Rovno und Kiew übernachten wir auf einem bewachten Parkplatz und genießen ein traditionelles Essen vom Feinsten in dem gleich in der Nachbarschaft befindlichen Hotel - Restaurant.

Die Fahrt über Land ist eindrucksvoll. Blühende Landschaften (irgendwie haben wir den Frühling übersprungen) fliegen an uns vorbei. An die "Autobahn" angrenzende Dörfer mit ihren bunten Katen und blumengeschmückten Vorgärten, mit Hühnerhof und Misthaufen, mit einem kleinen Stück Feld hinten dran, wo die Pferde vor den Pflug gespannt werden, um die Erde urbar zu machen........sind Bilder für die Seele.

  

   

 

Kiew - 02.05. – 05.05.2013

Gegen Mittag erreichen wir unser Ziel – Kiew, die Hauptstadt der Ukraine mit ca. 5 Mio. Einwohnern - und nach einer kleinen Irrfahrt auch den Campingplatz Prolisok außerhalb der Stadt, im Grünen gelegen. Die Anmeldung ist schnell erledigt, ein Taxi geordert und dann stürzen wir uns ohne großes Vorgeplänkel in den Trubel. Der Platz der Unabhängigkeit, Treffpunkt von Alt und Jung, dient uns als Ausgangspunkt für einen ersten Stadtbummel. Hier steppt der Bär, wie man so schön sagt. Wir reihen uns in den Besucherstrom ein, flanieren ein Stück den Hauptboulevard entlang, der von monumentalen Prachtbauten des sowjetischen Klassizismus flankiert wird (die 6-spurige Straße ist am Wochenende für den Autoverkehr gesperrt) und gelangen so zum „Goldenen Tor“ der Stadt aus dem 11. Jh. mit viel Grün und einem herrlichem Springbrunnen davor (überhaupt gibt es viele Parks in dieser tollen Stadt).

 

       

 

Unser nächstes Ziel ist die Sophienkathedrale, die wohl bekannteste unter den zahlreichen Kirchen von Kiew, am gleichnamigen Platz gelegen. Für eine Besichtigung der Kathedrale sind wir heute leider zu spät dran. Also lenken wir unsere Schritte dem Michaels Kloster zu, dessen Kuppeln im Licht der Abendsonne golden leuchten. Wir bewundern die herrliche Anlage, vor dessen Toren ein Mahnmal an die Hungertoten aus den Jahren 1932/33 erinnert (6 Mio. Tote gingen damals auf Stalins Konto und blieben in der Geschichtsschreibung der Sowjetunion wohlweislich unerwähnt).

 

         


Unser Weg führt uns weiter zur Andreaskirche und dem Andreassteig, der in die Unterstadt von Kiew führt. Dort blinzeln wir heute nur mal um die Ecke und erhaschen einen Blick auf Kunst und Kitsch der zahllosen Stände. Hier einzutauchen, das heben wir uns für morgen auf. Unser Taxifahrer, ein hervorragend Englisch sprechender Ägypter, ist pünktlich am vereinbarten Ort und bringt uns wohlbehalten und „günstig!“ zu unserem Campingplatz zurück, auf dem wir immer noch einsam und allein stehen.

 

      

 

Am folgenden Tag haben wir uns viel vorgenommen. Die Tore der Sophienkathedrale sind geöffnet. Der Museumskomplex hat einiges zu bieten und es ist bereits Mittag, als wir das Terrain in Richtung Andreassteig verlassen. Die Auslagen in den Ständen (man spricht auch vom Andreassteig als vom Montmatre von Kiew) reichen von traditioneller Handwerkskunst bis zur Gasmaske, alten sowjetischen Ehrenabzeichen, Schundliteratur aus der Nazizeit und Stahlhelm mit Einschussloch, nicht zu vergessen die unzähligen Bilder der verschiedensten Genres auf einem eigenen Bildermarkt.

Schließlich erreichen wir aber doch den Podil, die Unterstadt von Kiew. Hier hat sich seit der Sowjetzeit nicht viel verändert. Allerdings sind einige Kirchen, die zu Stalins Zeiten gesprengt wurden, inzwischen wieder aufgebaut. Wir besuchen die von außen eher unscheinbare, neu errichtete Hauptkirche des damaligen Kiew mit einem tollen Innenraum, erfreuen uns an den herrlichen Fassaden der Häuserzeilen mit den z.T. bunt zusammengewürfelten Balkonanbauten (hier hat der Denkmalschutz wohl weggeguckt) und erreichen einigermaßen pflastermüde die Seilbahn, die uns wieder an die Andreaskirche in die Oberstadt bringen soll. Ahmed, unser Taxifahrer, der sich an seiner Stammkundschaft offensichtlich genauso erfreut, wie wir an einem zuverlässigen Guide, steht schon bereit. Morgen ist auch noch ein Tag….



      

 

Die Sonne lacht, ein Tag wie geschaffen für eine kleine Militärparade…… Wir beginnen unsere Tour im Südosten der Stadt am Park des Ruhmes und der Mutter Heimat. Am Eingang des Parks kommt man nicht vorbei an der in Reih und Glied aufgebauten und geschichtsträchtigen Militärtechnik, die in einem Open-Air-Museum zu besichtigen ist. Über dem Park erhebt sich die gewaltige Mutter Heimat aus Stein und Stahl, Schild und Schwert schwingend. Dazu kommen die überbordenden, heroischen Darstellungen kämpfender Sowjetsoldaten, das Ganze untermalt mit getragener Musik.....all dies Symbol für die Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges …… bei mir stellt sich leises Unbehagen ein……die Vergangenheit ist hier noch sehr lebendig.....


        

      

Da bietet sich dem Auge im unterhalb gelegenen Parkabschnitt doch ein ganz anderes, herzerfrischenderes Bild….. mehrere 1000 Tulpen wurden hier in Ornamentform angepflanzt.

       


Unser nächstes Ziel, das Höhlenkloster, eigentlich ein weitläufiger Klosterkomplex, ein Heiligtum und berühmter Pilgerort, befindet sich kurioserweise in unmittelbarer Nachbarschaft zum sowjetischen Heldenepos,….….gut für unsere Füße. Wir bestaunen die reiche Ausstattung der Klosteranlage, weniger die vielen Mumien im unterirdischen Klostertrakt.


      

 

Gegen Mittag verlassen wir den heiligen Ort, um unsere Stadtbesichtigung etwas bequemer fortzusetzen. Wir hatten uns eine Hopp-on/ Hopp-off- Tour vorgestellt, deren Fahrplan wir zwar in den Händen halten, dessen System sich uns allerdings nicht erschließt, da keinerlei Ausschilderungen erkennbar sind und die Busse uns an den im Plan bezeichneten Punkten offensichtlich ignorieren. Der Tag gestaltet sich vom relaxten Bustrip zum strapaziösen „in 12 Stunden zu Fuß durch Kiew – Tag“. Allerdings entdecken wir das sehr preiswerte und zügige Fortbewegungsmittel „U-Bahn“ für uns (mit einem 20 Cent-Chip kann man open end mit der Metro durch ganz Kiew fahren), so dass wir doch die meisten „Must have´s“ an Sehenswürdigkeiten „abarbeiten“ können. Dazu kommt, dass unser Taxifahrer uns heute auch noch versetzt und es ist bereits 21.00 Uhr, als wir mit „runden“ Füßen in unserem Camp ankommen, auf dem sich nun doch einige Wohnmobile eingefunden haben.

Heute findet nach dem gregorianischen Kalender das ortodoxe Osterfest statt. Bereits gestern hatten wir die Vorbereitungen zur Osterzeremonie in Form von nicht enden wollenden Menschentrauben vor der Valodymirska Katedrale (der Lieblingskirche der Kiewer) wahrgenommen. Die Leute bringen ihre Osterkuchen u.a. österliche Spezialitäten in Körben mit und postieren sich auf dem Platz vor der Kirche in langen Schlangen, um ihre Osterspeisen mit geweihtem Wasser vom Priester, der im Viertelstundentakt umgeht, segnen zu lassen.


        


Offensichtlich dauert diese Zeremonie die ganze Nacht und den ganzen Ostersonntag an. Heute sind wir, die immer noch schmerzenden Füße missachtend, schon zeitig unterwegs und als wir die Kathedrale erreichen, ist ein Abreißen des Zustroms an Menschen mit Körben nicht in Sicht. Pünktlich 10.00 Uhr beginnt die stimmgewaltige Liturgie der Priester in prächtigen Gewändern in der kerzengeschmückten Kathedrale. Die getragenen Gesänge sind ein Ohrenschmaus, obgleich man über den Pomp und die schon an Personenkult erinnernde Prozedur geteilter Meinung sein kann. Egal, wir sind beeindruckt und erfreuen uns an dem Glanz dieses Festtages und den ergriffenen Menschen.

 

     

Am frühen Nachmittag nehmen wir Abschied von der Stadt, die letzten Sehenswürdigkeiten wie das Chimerenhaus und die Nationalbank der Ukraine haben wir unseren Füßen noch einmal zugemutet. Auf diesem Weg haben wir eher per Zufall der deutsch-lutherischen Kirche von Kiew einen Besuch abgestattet und waren ergriffen von dem Gedenkbuch, das den im und nach dem 2. Weltkrieg deportierten Deutschen (und Wolgadeutschen) gewidmet ist, die dieser Gemeinde angehörten.

 

  


Zurück auf dem Campingplatz, sind nunmehr die Vorbereitungen für unsere morgige Weiterreise zu treffen….wie Wasser auffüllen, Abwasser ablassen, kleine Wäsche....etc.

 

Charkow - 06.05./07.05.13

Unsere Abreise aus Kiew war nicht ganz ohne....wegen Bauarbeiten mussten wir weiter in die Stadt hinein fahren als uns lieb war und die Straßenführung unseres Garmins stimmte nicht immer mit der Realität überein, so dass wir zwischendurch mal den absoluten Überblick verloren hatten. Als dann auch noch die Durchfahrtshöhe der Brücken mit 3,50 m ausgeschildert war, verursachte dies bei uns einen kleinen "Adrenalinschub" (unser Auto ist 3,80 m hoch). Doch Ende gut, alles gut - die Brücke hatte einen Puffer und wir haben die Stadttore mit einem letzten Blick auf den Dnepr glücklich hinter uns gelassen.

  

 

Etwas mehr als 500 km bis zu unserer nächsten Etappe, der zweitgrößten ukrainischen Stadt, Charkow, liegen vor uns. Der Zustand der Straßen (die "Autobahn" ist nicht durchgängig) macht einen häufigeren Fahrerwechsel notwendig. Unter dem Begriff Autobahn ist hier zu Lande etwas anders zu verstehen als bei uns üblich. Da gibt es schon mal Ortschaften mit Bushaltestellen und Fußgängerüberwegen, bei denen man die Geschwindigkeitsbegrenzung sehr genau einhalten sollte. Wir kommen ohne Bußgeld davon, weil der Polizist des "Englischen" nicht mächtig war....

Gegen Abend erreichen wir Charkow, zu Sowjetzeiten zeitweise die Hauptstadt der ukrainischen Region..... und unseren schön gelegenen Übernachtungsplatz direkt am See des Hotels "Drushba", abseits des Straßenlärms.

Die Stadt hat mehr zu bieten als nach dem Reiseführer zu vermuten ist, wie wir am nächsten Tag feststellen können. Auch wenn uns Kiew zwar noch in den Knochen steckt, so lassen wir uns doch zu einem ausgedehnten Stadtbummel hinreißen. Wir besichtigen die monumetalen Plätze, die Bauten aus den verschiedensten Epochen und ergehen uns in den herrlich nach Flieder duftenden Parks. Wir sind rechtzeitig zur Stelle bei der Ehrung der Veteranen des Wiederaufbaus der Stadt nach dem Großen Vaterländischen Krieg, die unter den Klängen eines Kinder- und Jugend - Spielmannszuges in die Oper geleitet werden. Charkow war im 2. Weltkrieg in der Zeit von Oktober 1941 bis August 1943 von deutschen Truppen besetzt und in dieser Zeit heftig umkämpft (ein Rückeroberungsversuch im Mai 1942 scheiterte, im Februar 1943 wurde die Stadt befreit und fiel bereits im März 1943 wieder an die deutschen Truppen). Eine Ausstellung (die Bilder gehen unter die Haut) dokumentiert nach 70 Jahren noch immer die Präsenz des Krieges in den Köpfen der Menschen.

  

    


Wir besichtigen das Kloster und die (zu Kiew) vergleichsweise wenigen Kirchen, genießen die mit viel Mohn gefüllten Leckerlies aus der Klosterbäckerei, schlendern abschließend über den allgegenwärtigen Bildermarkt..... und werden bei Irina fündig.

 

       

Vor unserer Weiterreise am morgigen Tag wollen wir noch ein wenig ausspannen und die Ruhe des Sees genießen. In zwei Tagen werden wir Russland erreichen.