über uns

Lotte und Peter: über uns

Schweiz, Südfrankreich, Pyrenäen 2013 (1)


Sonntag, 14.7.


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Am ersten Reisetag durchqueren wir halb Österreich. Das Duell Autobahnen gegen Bundesstraßen geht unentschieden aus. Die Autobahnen punkten zwar mit schnellem Weiterkommen, verlieren aber stark beim Kostenaufwand für die Maut: mit GoBox sind es 24 Cent/km. Daher weichen immer dort auf mautfreie Straßen aus, wo der Zeitverlust nicht zu groß ist. Wir starten mittags in Graz und erreichen am Abend Innsbruck. Dort besuchen wir unsere Nichte Michi und ihren Freund Robert, wir können auch in ihrer Wohnung übernachten. Es ist Wochenende, daher versorgen wir uns noch bei einer Tankstelle in Kitzbühel mit Wein und Bier, schließlich wollen wir nicht mit leeren Händen auftauchen. Rob hat den Griller angeworfen, wir werden ziemlich verwöhnt. Als Nachtisch gibt es Omamas Rotweinkuchen und Vanillekekse aus Graz.


Montag, 15.7.


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Abfahrt 10:00, wir wollen noch in Österreich einkaufen und tanken. Großes Einkaufszentrum beim Ikea. Dort soll es irgendwo einen Hofer geben. Wir kommen natürlich von der falschen Seite und mit Bus und Hänger ist das Durchlavieren über verschiedene Parkplätze kein Lapperl. Also rennen wir durch das ganze Einkaufszentrum, bis wir das Geschäft finden, packen alle Einkäufe ins Wagerl, dann geht Peter den Bus holen – aber nicht durchs Einkaufszentrum, sondern außen herum, das ist stressfreier. Lotte bewacht inzwischen die Einkäufe und bleibt möglichst im Schatten, denn selbst in Innsbruck ist es heiß.
Dann sind wir auf Tankstellensuche. Leider erwischen wir gleich die Autobahnauffahrt und beschließen daher, in Landeck zu tanken. Dort kommen wir gerade in dem Moment zum Tanken dran, als die Preise sich ändern – natürlich wird es gleich um 10 cent/Liter teurer. Peter meint, er sei ja nicht blöd und wir fahren zu einer anderen Tankstelle, wo es tatsächlich noch günstiger ist.
Das alles hat uns ziemlich viel Zeit gekostet, aber jetzt kann es endlich losgehen. Wenn unser Navi nur wüsste, wo es lang geht! Es führt uns auf dem „kürzesten Weg“ mitten durch das Zentrum. Irgendwann ist dann sogar Landeck aus und wir kommen wieder auf die richtige Straße. Wir bleiben im Inntal und verfolgen den Fluss bergauf zunächst Richtung Reschenpass. Dann biegen wir ab auf die Zollstraße Richtung Schweizer Grenze. Da lässt sich lange kein Zöllner blicken. Erst nach 17 km, in Scuol, steht einer, dem wir unsere Pässe und das Geld für die Schwerverkehrsabgabe hinhalten. Die Pässe will er nicht, aber er fragt grinsend, ob die 100 Franken für ihn sind. Wir schauen erstaunt, worauf er es etwas ernster angeht. Peter erzählt ihm - während er bezahlt - noch das Gschichterl von unserem letzten Schweizbesuch, als wir über den Umbrailpass einreisten, wo es keine Grenzstation gab und bei der Ausreise, an der Grenze zu Italien, von einem Grenzposten, der aus seinem Häuschen heraus stürzte, aufgehalten wurden, weil wir keine Schwerverkehrsabgabe bezahlt hatten. Heute fragt uns der Witzbold nur, ob wir denn damals wohl auch 100 Franken Strafe bezahlt hätten. Haben wir nicht – das hätte uns noch gefehlt!
Es wird nun Zeit, unseren hurtig bergab fließenden Begleiter, den Inn, zu verlassen, denn wir zweigen in Susch Richtung Flüelapass ab.

Das Wetter bleibt auch in den Bergen wunderschön und es bietet sich ein Augenschmaus nach dem anderen. Auf der Passhöhe auf 2.383m ist es allerdings etwas kühler, doch wir können nicht anders, wir müssen ein wenig Sightseeing machen, bevor wir uns langsam nach Davos hinunterhanteln. Davos haben wir uns nicht so groß vorgestellt, aber unserer Vorstellung von gediegen bis kostspielig, um nicht zu sagen gespritzt, entspricht es vollkommen. Dennoch haben so alte Urlaubsorte ein spezielles Flair. Bei manch einem alten Hotel strahlt es geradezu aus den Mauern und jedem Fenster und wir fühlen uns gleich noch mehr auf Urlaub.
Von Davos geht es weiter nach Thusis, das einst Ausgangspunkt eines der gefürchtetsten Pfade über die Alpen war.


Hier führte schon in der Römerzeit die Via mala genannte Route nach Chiavenna durch eine Schlucht, die vom Hinterhein durchflossen wird. Der Weg heißt nicht umsonst „böse oder schlechte Straße“ und es gibt viele grausige Geschichten über Abstürze, Lawinenunglücke und schwere Unwetter, die den Reisenden den Durchgang erschwert oder verunmöglicht haben. Napoleon verlor beim durchqueren der Schlucht im November hunderte Männer.

Für uns hat die Schlucht einen großen ästhetischen Reiz, mit ihren ausgeschliffenen Wänden und Gletschermühlen, aber es fällt schwer, sich bei diesem Wetter die winterlichen Bedingungen und die schmalen, gefährlichen Wege von früher vorzustellen.
Am Infostand der Via Mala bekommen wir auch einen ersten Eindruck vom Schweizer Preisniveau.


Wir drehen um und fahren wieder ins Tal, um dem Vorderrhein auf seinem Nordufer zu folgen. Aber unser Navi hat wieder einmal seinen eigenen Kopf  und so befinden wir uns plötzlich auf dem Südufer auf einem kleinen Gebirgssträsschen, mit vielen Baustellen und sehr engen und niedrigen Tunnels. Wir beschießen, dass wir das Navi diesmal nicht beschimpfen, denn die Strecke ist wunderschön und wir kommen trotzdem an unseren nächsten Zielort Ilanz, wenn auch durch die vielen Kurven und Steigungen etwas langsamer.

Hier sticht uns wieder einmal der Hafer. Statt schön brav weiterzufahren, um noch bei Tageslicht einen Campingplatz zu finden, haben wir es uns anders überlegt. Wir wollen uns doch die nächste bekannte Rheinschlucht nicht entgehen lassen. Diese ist aber nur per Bahn zu durchfahren. Obwohl es schon spät ist, steuern wir den Bahnhof von Ilanz an, und Glückspilze, die wir sind, fährt in 20 Minuten ein Zug nach Reichenau und von dort mit nur 10 Minuten warten der nächste Zug wieder retour. Praktischerweise finden wir sogar für unseren Bus mit Anhang einen Parkplatz. Schnell ist alles Nötige im kleinsten Rucksack verstaut, Karten beim Automaten gekauft und dann kann es losgehen. Die Strecke, die der Zug fährt ist, nicht wirklich wild. Sie erinnert uns teilweise an die Salza, nur die Kalkformationen an den Ufern sind bizarr. Das Abendlicht legt einen warmen Schimmer über die Landschaft, erinnert uns aber auch daran, dass wir noch über den Oberalppass müssen, um nach Andermatt zu kommen. Von diesem sehen wir nur im Dämmerlicht ein paar Kurven, dann wird es finster. In Andermatt angekommen ist der Hinweis zum Campingplatz nicht besonders aufschlussreich, führt er uns doch in eine Art Fußgängerzone, in die wir Großen uns nicht hinein trauen. Aber Spaziergänger winken uns wissend zu und weisen uns die Richtung, ja, da durch und hinten hinaus. Ist es so offensichtlich, wo wir hin wollen? Nix mit inkognito und so! Am Ende erweist sich der Campingplatz als zweckentfremdeter Parkplatz der hiesigen Seilbahn. Wir schaffen es gerade noch vor 22:00 Uhr, uns anzumelden, denn zahlen muss man hier natürlich schon. Es gibt ja auch Duschen und WC in der Seilbahnstation und damit niemand diese illegal benutzt, gibt es für sie ein Nummernschloss. Vier Ziffern, dann warten bis es nicht mehr grün blinkt, sondern dauerleuchtet und dann die Klinke hinunter drücken. Ich war sicher vier Mal dort und jedes Mal stand jemand vor der Tür, dem es nicht gelang, hinein zu kommen. Mir übrigens beim ersten Mal auch nicht. Entweder war die Ziffernkombination falsch, oder ich habe die Klinke zu spät gedrückt oder nicht fest genug angedrückt. Jeder dieser Fehler führt zu einem roten Blinklicht und zusätzlicher Wartezeit. Also haben wir bei unserem letzten abendlichen Besuch zum Duschen gleich die Tür offen stehen lassen – für alle nächtlichen BesucherInnen. Wer kann sich schon beim nächtlichen Klobesuch die Zahlenkombination merken, geschweige denn sehen, was man eintippt.


Dienstag, 16.7.


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Am Tag davor haben wir ein Ausfahrtticket bekommen – denn es gibt hier einen Schranken, damit niemand illegal und eh schon wissen (Schweizer Gründlichkeit) – und wir können ganz früh am nächsten Morgen unsere Reise fortsetzen. Wir wollen diesen laut Wetterbericht letzten perfekten Tag nützen, um aufs Jungfraujoch zu fahren. Dazu müssen wir zunächst über den Sustenpass. Die Auffahrt in der Morgensonne ist atemberaubend schön, aber auf 2.224m ist es um 6:30 doch noch sehr kalt.
Wir gehen ein Stück bergauf, um in der Sonne zu sein und die Aussicht zu genießen. Für Lotte ist das schon anstrengend. Sie leidet über 2.000m unter Höhenkrankheit, sofern sie nicht vorher Zeit hatte, sich zu akklimatisieren. In diesem Fall hatte sie diese nicht und so keucht sie hinter Peter bergauf und muss wegen Schwindel, Atemnot und flauem Gefühl im Magen wieder umdrehen. Wir fahren weiter und zum Glück geht es jetzt wieder bergab zum Fluss Aare. Weil wir es eilig haben, ignorieren wir das Hinweisschild auf die Aareschlucht. Das holen wir vielleicht noch nach. Dann geht es am Brienzersee entlang nach Interlaken. Und immer schön die Autobahnen vermeiden, haben wir unserem Navi eingetrichtert, denn wir haben uns das Mautgeld für den Anhänger erspart. Für die paar kleinen Stückchen zahlt sich das auch gar nicht aus.
Interlaken, wie der Name schon sagt zwischen zwei Seen gelegen, ist ein schöner alter Kurort, dessen Ruf auf Molkekuren beruht. Natürlich gibt es ein Kurhaus, einen Kurpark und ein Casino. Schließlich erwarteten sich die Menschen schon vor hundert Jahren von einer Kur mehr als nur die Linderung körperlicher Leiden. Die „bessere Gesellschaft“ hatte so ihre Bedürfnisse und Gewohnheiten und die betrafen auch das Kuren. Gegründet wurde die Stadt allerdings schon viel früher von Geistlichen, die wohl mit Kuren wenig am Hut hatten. Für uns heute mutet es seltsam an, eine Stadt zwischen zwei Seen und nicht an einen See zu bauen. Wir denken halt viel mehr in Kategorien der bademäßigen Freizeitgestaltung.
Unser Navi hat wieder einmal seine Macken und daher beschlossen, uns auf den kleinst möglichen Straßen durch die Stadt zu führen. Aber wir sind inzwischen schlauer als das Gerät und tricksen es mit Wegweiser lesen aus. Ha!!! So finden wir auf die richtige Straße nach Grindelwald und bald sehen wir den Eiger in seiner ganzen Pracht vor uns.
Der Campingplatz, den wir ausgesucht haben heißt auch so und bietet wirklich einen guten Blick auf die Nordwand. Beim Anmelden, Abstellen des Fahrzeugs, Abhängen des Anhängers, Umkleiden für den Dreitausender etc. haben wir es wieder einmal eilig, weil wir gesehen haben, welche Menschenmenge sich vor dem Eingang zur Jungfraujochbahn staut und wir wollen möglichst schnell hinauf und das gute Wetter nützen. So oft gibt es das hier nicht und es kann auch jederzeit schnell umschlagen.
Zu unserer Verwunderung kommen wir bei der Bahnkassa aber gleich dran und keine zwei Minuten später sind wir schon unterwegs.

Zunächst geht es unter der Nordwand vorbei auf das kleine Scheidegg, wo man umsteigen muss.
Dort befindet sich das Hotel, das im Film „Nordwand“ als Stützpunkt der Reporter gezeigt wird und von dem aus die Besteiger der Wand mit dem Fernglas beobachtet werden können.
Heute ist die Wand offenbar keine große Herausforderung mehr, denn wir sehen trotz gutem Wetter keinen einzigen Kletterer. Wir lesen auf den in der Bahn laufenden Bildschirmen, dass mittlerweile der Rekord für die Nordwandbesteigung unter drei Stunden liegt. Ist ja ganz interessant. Da wir aber weder in drei Tagen noch in drei Stunden selber hinaufgehen könnten, wenden wir uns lieber wieder dem tollen Panorama zu. Dann fährt die Bahn in den Berg. Jetzt fühlen wir uns endgültig wie in der U-Bahn von Tokyo, denn das Jungfraujoch gehört anscheinend zu den Sehenswürdigkeiten, die alle Japaner auf ihrer Europa-Rundreise sehen und hundert mal fotografieren müssen.
Beim zweiten Zwischenstopp im Berg steigt Peter aus, um aus einem der Fenster auf den Gletscherabbruch zu schauen. Lotte bleibt im Wagen, denn sie will den Sitzplatz, den sie ergattert hat, nicht riskieren. Wir sind inzwischen weit über 2.000m und sie beginnt sich nicht besonders gut zu fühlen, ignoriert es aber möglichst, denn sie hat sich diese Tour sehr gewünscht. Dieses Erlebnis können ihr selbst das Geschiebe im Endbahnhof und die hunderttausend aufgeregt fotografierenden, quietschenden z.T. auf Stöckelschuhen oder in Sandalen gekleideten oder ganz im Gegenteil vollkommen auf -30°C eingestellten, mit Mundschutz bewaffneten anderen Touristen nicht vergällen. Wir gehen gleich in den vierten Stock des Gebäudes, vorbei an Souvenierläden und Restaurants, die uns alle nicht interessieren.

Oben kommen wir endlich hinaus auf den Gletscher und finden auf den Felsen, zugegebenermaßen außerhalb der erlaubten Zone, ein von der Sonne gewärmtes Plätzchen.
Wir sind zunächst einmal mit Schauen beschäftigt und wunschlos glücklich. Selbst Lotte geht es halbwegs, wenn auch die Kopfschmerzen, das Schwindelgefühl und die Schwäche sich wieder bemerkbar machen.

Nach dem ausgiebigen Schauen packen wir unseren Proviant aus und gönnen uns eine deftige Bergjause, bestehend aus Schwarzbrot, Käse und geräuchertem Schinken. Dazu ein paar Schluck Orangensaft mit Wasser. Wir tun halt so, als hätten wir uns das durch einen anstrengenden Aufstieg verdient.
Wir finden das Panorama Attraktion genug, aber offensichtlich muss für viele Touristen noch mehr davon her. Möglicherweise will man aber auch die oft vom schlechten Wetter um dieses Erlebnis gebrachten Menschen milde stimmen. Warum auch immer, in den verschiedenen Stockwerken der Bergstation gibt es eine Bilderausstellung über den Bau der Bahn, ein 360° Panoramabild und eine Eishöhle mit Eisfiguren zu besichtigen. Wir gehen eher schnell durch, denn Lottes Höhenkrankheit lässt sich nicht mehr verleugnen. Sie muss leider so schnell wie möglich hinunter.
Peter ist es sehr leid um die Aussicht, die man vom Observatorium, ca.100 m höher haben könnte, er bleibt aber doch lieber bei Lotte, die ihm sehr dankbar, weil knapp vor dem Umkippen ist. Lotte halb getragen schwindeln wir uns ganz nach vorne in die Schlange zum Hinunterfahren und bekommen beide Sitzplätze. Sobald die Bahn abfährt schläft Lotte vor Erschöpfung ein und auch Peter ist ziemlich fertig.
Sobald wir weder auf knapp über 2.000m sind findet die wundersame Auferstehung von Lotte statt – es ist doch immer wieder erstaunlich, wie schnell das geht, nur wegen der paar hundert Meter! Dadurch können wir uns noch ein bisschen ein längeres Bergerlebnis gönnen.

Wir steigen eine Station vor dem Kleinen Scheidegg aus und wandern dorthin. Bei der Umsteigestation angekommen genießen wir abgesehen von dem netten Trubel und den vielen verschiedenen an- und abfahrenden Zügen auch noch ein köstliches Eis mit noch köstlicherer Waffel um den umwerfenden Preis von 8 Franken.
Zurück am Campingplatz befreien wir uns von den heißen Wanderschuhen und genießen einen angenehm warmen Abend inklusive Schmalspurkochen.



Mittwoch, 17.7.



Nach einer ziemlich kühlen Nacht können wir in der Morgensonne frühstücken, packen und zahlen. Mit Euro 47,- ist das bis auf weiteres sicher der teuerste Campingplatz.
Da es in Grindelwald nicht weitergeht, müssen wir zurück nach Interlaken und den Brienzersee entlang. Lotte ist ziemlich süchtig nach allem, das wie Wasser aussieht und redet sich immer darauf hinaus, sie sei eben im Sternzeichen ein Krebs. Da es warm ist, kann sie einer solch einladenden Wasserfläche nicht widerstehen und wir halten am Straßenrand für ein sehr erfrischendes Bad. Wir fahren den ganzen See entlang, aber außer Lotte ist niemand zu entdecken, der auch Lust zum Baden hat und sie findet das sehr seltsam. Das Wasser ist zwar kalt, geschätzte 17°C, aber das kann bei diesem warmen Wetter ja wohl nicht der Grund sein. Peter hat da so seine Zweifel, denn als Sternzeichen Löwe muss es für ihn nicht unter allen Umständen Wasser sein. Auf der gegenüberliegenden Seeseite verschwindet die Autobahn in einem langen Tunnel und das Ufer ist unzugänglich. Trotzdem steht auf einem Hügel nahe am Wasser ein großes Hotel. Dieses ist nur per Schiff und von der Anlegestelle mit einem kleinen Schrägaufzug zu erreichen. Es liegt in einer traumhaft schönen Landschaft mit vielstufigen Wasserfällen und dunklen Wäldern. Wir malen uns aus, wie ruhig es dort sein muss und stellen es uns für ein paar Tage sehr erholsam vor.

Bei Innertkirchen sehen wir wieder einen Hinweis auf die Aareschlucht und diesmal passt es gut. Auf gewagt angelegten Stegen und durch kalte Tunnels geht es eine halbe Stunde durch eine tiefe Schlucht, die an der engsten Stelle nur einen Meter breit ist.

Als wir zurückkommen, hat sich das Wetter eingetrübt, ausgerechnet jetzt, wo wir über den Grimselpass fahren wollen. Oben regnet es sogar ein wenig und die kalten Nebelschwaden lassen den nahen Rhonegletscher schon erahnen. Im kleinen See auf der Passhöhe treiben noch große Eisschollen.
Sie wirken wie kleine Eisberge, lassen sich aber mit etwas Geduld von Peter per Hand bewegen.
In vielen Kurven schrauben wir uns hinunter nach Gletsch, das man nicht wirklich als Ort bezeichnen kann.
Dort gibt es einen Parkplatz, der für Wohnmobile verboten ist.

Wer es dennoch versucht, muss mit dem Schlimmsten rechnen.
Ursprünglich kam der Rhonegletscher bis dahin und um das Schauspiel genießen zu können, wurde gleich daneben ein Hotel errichtet. Dieses verfügte sogar über Strom aus einem eigenen Wasserkraftwerk, das man besichtigen kann.

Heute hat sich der Gletscher weit zurückgezogen, aber in einem kleinen Museum kann man sehen, wie weit er früher herunter kam.
Wir sehen Waggone und Geleise und erfahren, dass hier täglich zwei Mal ein Museumszug mit Dampflokomotive vorbeikommt, der über den Furkapass nach Realp fährt. Da würden wir gerne mitfahren. Leider muss man dafür reservieren und es ist fraglich, ob für den nächsten Tag noch Plätze frei sind. In Oberwald, wo der Zug wegfährt, hat die Verkaufsstelle schon geschlossen. Ein netter Herr von der Bahn gibt uns den Tipp, morgen zur Büroöffnung des Kartenschalters der Bahn da zu sein, denn er selbst kann am Computer zwar sehen, dass es noch 11 freie Plätze gibt, aber der Computer nimmt Reservierungen nur bis 16:00 an. Es ist 17:00. Blöde, stupide, unbestechliche Geräte sind das doch!!!

Morgen wollen wir nicht nur Bähnle Fahren, sondern auch eine große Runde über drei Pässe mit dem Motorrad machen. Deshalb wird es Zeit, sich einen Campingplatz zu suchen. Ein Stückchen weiter das Tal hinunter werden wir in Ulrichen fündig. Dort gibt es eine schöne ebene Wiese, auf der wir uns einen Platz aussuchen können.
Hier begegnet uns wieder einmal einer jener Typen von Campingplatzbesitzer, die man nur als Campingwart bezeichnen kann. Nicht unbedingt unfreundlich, wenn man ihm in allem recht gibt, aber absolut patriarchalisch, Herrscher über alles und jeden von der Familie bis zum kleinsten Hund am Campingplatz. Fast hätten wir es uns mit ihm verscherzt. Als wir ankommen, ist seine Tochter in der Rezeption. Peter fragt nach Platz und Internetzugang und wir bekommen von ihr die Auskunft, dass dieses auf der vorderen Hälfte des Platzes funktioniere. Wir stellen uns also brav in die erste Hälfte. Da wir keinen Stromanschluss finden können, gehen wir wieder zur Rezeption. Diesmal ist der Herr Papa da. Tja, wo wir jetzt stünden, gäbe es weder Strom noch Internet. Und was seine Tochter gesagt hat, tut er mit einer wegwerfenden Handbewegung ab. Die habe ja keine Ahnung, sagt er. Er könne doch nicht überall Strom hinleiten. Das kostet viel zu viel Geld und das müssten ja die Camper bezahlen und außerdem sei der Campingplatz ja nur vier Monate im Jahr offen und das zahlt sich ja dann gar nicht aus. Ja und Internet, das gibt es nur bei der Rezeption. Wenn wir zu faul wären, dorthin zu kommen, sollten wir es eben lassen. Er könne ja nicht überall Internet hinleiten, das sei viel zu teuer und das müssten ja die Camper bezahlen usw. Wir sind eh schon still, schmunzeln aber insgeheim, weil uns der nette Schweizer Dialekt, in dem das alles vorgebracht wird, ziemlich gut gefällt und das Ganze ein bisschen ins lächerliche zieht.


Donnerstag, 18.7.



Früh morgens (also vor 9:00) mache ich mich auf nach Oberwald und bekomme tatsächlich noch Karten für die Dampfbahn am Nachmittag. Vormittag wollen wir die Dreipässetour per Motorrad fahren. Wir starten mit dem Motorrad zu unserer Runde. Am Beginn ist es noch sonnig, aber schon während der Auffahrt zum Nufenenpass wird die Sicht schlechter. Bald erreichen wir die 2.478 m Passhöhe, aber leider verbergen tiefe Wolken den Blick auf die Viertausender in der Umgebung. Hinunter geht es in das schon italienischsprachige Ticino bis Airolo.
Dort drehen wir nach Norden und verlieren fast die Übersicht, weil 3 Straßen auf den St. Gotthard-Pass führen. Die wichtigste – eine Autobahn mit einem langen Tunnel – kommt für uns natürlich nicht in Frage. Wir vermeiden auch die breite und mit nur wenigen Kurven trassierte neue Südrampe, sondern nehmen die klassische Strecke aus den Zwanzigerjahren, die sich mit Kopfsteinpflaster-Belag in vielen engen Kurven durch das Val Tremola, das Tal des Zitterns, auf den vielleicht wichtigsten Alpenübergang zieht.
Wie auf allen großen Pässen der Schweiz befindet sich auch hier ein Hospiz genanntes großes Haus, das Versorgung für Mensch – und früher auch Pferd – bietet.
Die alten Pferdekutschen scheinen auch wieder in Mode zu sein. Zwei kommen uns auf dem Weg hinunter ins Hospental entgegen.
Wir biegen ab und fahren die Ostseite des Furkapasses hinauf. Die Straße ist hier schmäler und für LKW und Anhänger gesperrt. Knapp vor der Passhöhe auf 2.436m beginnt es zu regnen, wenigstens schneit es nicht, kalt genug kommt es uns vor.

Oben verzichten wir auf einen Stop und fahren weiter, bis das alte Hotel Belvedere, das am unteren Ende des Rhonegletschers liegt, aus dem Nebel auftaucht.
Wir bleiben nicht lange, sondern wollen dem regnerischen Wetter entkommen. Fast gelingt es uns, erst knapp vor Oberwald erwischt uns ein kurzer Regenguss, der aber nicht für eine völlige Durchnässung reicht.
Überaschend schnell kommt die Sonne hervor, als wir wieder in Oberwald ankommen. Wir lassen das Motorrad stehen und deponieren die Helme beim Bahnbeamten. Nach ein wenig warten fährt unser Zug ein.

Das ist wirklich ein Erlebnis und wir können uns vor lauter Fotografieren gar nicht mehr einkriegen. Die Dampflok wurde ursprünglich ab 1912 in der Schweiz eingesetzt und nach dem 2. Weltkrieg nach Vietnam verkauft.
Erst um 1990 hat ein Verein die inzwischen eingestellte Bahnlinie übernommen und die Lok zurück gekauft.

Eine Zahnraddampfbahn, Waggons mit erster und zweiter Klasse, Höchstgeschwindigkeit mit Zahnrad 20km/h, ohne 40km/h. Da geht der Schaffner tatsächlich Blümchen pflücken und springt wieder auf. Sie macht im Berg eine 340° Kurve, um sich hinaufzuschrauben und es stinkt ziemlich, weil das doch ein langer Tunnel ist.
Oben angekommen gibt es Schweizer Spezialitäten. Wir essen Gommerwürste, das sind Schweizer Bratwürste, die uns gut schmecken.
20 Minuten Aufenthalt, denn die Lokomotive braucht schon wieder Wasser und ein paar Streicheleinheiten vom Heizer.
Herrlich ist diese langsame Fahrt durch die von der Sonne beschienenen Almwiesen, wo jede Menge Almrausch blüht. In Realp nehmen wir den Schnellzug zurück, eine ereignislose Fahrt, da es nur durch den neuen Basistunnel geht.
Nach einem ziemlich anstrengenden Tag vergeht noch Zeit mit planen und essen, dann fallen wir müde ins Bett.


Freitag, 19.7.


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Gestern hatten wir wirklich Pech mit dem Wetter auf den Bergen und weil es heute schön ist und wir relativ früh auf sind, versuchen wir es noch einmal mit dem Nufenenpass. Der herrliche Ausblick bei strahlendem Sonnenschein gibt uns Recht. Auf dem Weg nach unten sticht uns eine Käserei ins Auge. Alpenkäse direkt von der Alm. Das müssen wir probieren! Wir kaufen einen relativ jungen und einen alten Käse. Beide schmecken herrlich und besonders der Geruch des Jungen lässt erahnen, dass er noch vor nicht allzu langer Zeit Kontakt mit der Kuh hatte.


Wir laden das Motorrad auf und dann geht es durch eine richtige Schweizer Bilderbuchlandschaft, Heidi und der Almöhi lassen grüßen, ca. 800 Höhenmeter immer bergab. Die Rhone begleitet uns mehr oder weniger nah und in vielen Windungen, aber noch ist sie ein echter Gletscherbach mit graugrünem Wasser, das schnell dahinplätschert.
Im Tal wird die Luft viel lauer, was nicht nur angenehm ist und das Gebiet ist dicht besiedelt, was ebenfalls nicht nur positiv hervorsticht. Jedenfalls kommt mit der Zivilisation auch die Politik ins Spiel.

Überall sehen wir ein Plakat, das uns sehr seltsam anmutet. Erst amüsieren wir uns und finden diese Werbung sehr kreativ, aber mit der Zeit wird uns klar, dass die Schweizer wieder einmal eine ihrer häufigen Volksentscheide abhalten. Offenbar geht es um die Öffnungszeiten und die Sonntagsruhe. Bei der Arbeiterkammer eines Ortes hängt eine klare Stellungnahme mit nein zu liberaleren Öffnungszeiten. Die Bratwürstel sind offenbar dafür. Aber so ganz haben wir nie durchschaut, was die denn nun mit ihrem Plakat meinen.
Bald danach fahren wir über eine unsichtbare Grenze, die zwischen zwei Sprachgebieten. Von nun an wird Lotte das Reden übernehmen müssen, denn Peter ist in Französisch - sagen wir es einmal freundlich – nicht ganz auf der Höhe.

In Sion, unserer nächsten Zwischenstation, spricht man auch noch zusätzlich Deutsch, aber angeschrieben ist alles in Französisch. Wir suchen mit unserem Navi nach Parkplätzen, aber das hat wieder einmal vergessen, wie lang und hoch wir sind. Die normalen Parkplätze und Parkgaragen, die es für uns in petto hat, können da nicht mithalten. Am vierten Parkplatz haben wir Glück, denn es ist ein Busparkplatz, er liegt gleich hinter dem Dom und es ist sogar noch ein einziger Platz frei. Der gehört uns. Wir schließen alle Luken, fixieren den Anhänger mit Kette und Schloss und begeben uns in ungewohnt feuchtheißer Luft auf Entdeckungstour.


Sion ist ein hübsches Städtchen mit einer romanisch-gotischen Kirche und einem alten Rathaus, in der Ebene zwischen zwei Hügeln gelegen. Auf der einen Seite thront der Bischofssitz und auf der anderen eine Festung. Da diese nur noch aus Ruinen besteht, besteigen wir den Hügel mit dem ehemaligen Bischofssitz.
Der Aufstieg bietet viele schöne Aussichten und oben angekommen kommen wir in eine sehr alte Kirche mit zwei Besonderheiten. Die eine ist, dass der Chor vollkommen getrennt ist vom Kirchenschiff. Die andere ist für Lotte bei weitem interessanter.
Hier gibt es nämlich eine Orgel aus dem 14. Jahrhundert, die noch einsatzfähig ist. Es ist somit die älteste noch bespielbare Orgel der Welt. Und als hätten wir es bestellt, übt an diesem Nachmittag ein Organist für ein Konzert auf dieser Orgel. Lotte lauscht andächtig. Peter findet den Klang nur so so la la, ein bisschen wenig Bässe, ein bisschen zu viel Gequietsche in den oberen Lagen. Es ist bereits Nachmittag und wir wollen doch heute noch nach Chamonix kommen. Also machen wir uns an den Abstieg und kurven mit unserem Gefährt durch die Stadt weiter nach Westen.
Bald geht es wieder bergauf und unsere Tankanzeige findet, dass es Zeit wird, etwas nachzufüllen. Uns ist natürlich klar, dass das Blödsinn ist. Der Tank ist sicher noch halb voll. Wir erinnern uns allerdings daran, dass wir das schon zwei Mal mit ziemlich unangenehmen Folgen erlebt haben. Wer nicht auf seine Tankanzeige hören will, muss halt Diesel kaufen gehen! Im Tank wäre ja wirklich genug, wenn es nicht bergauf ginge. Aber die Steigung verhindert, dass der Diesel dahin kommt, wo er hin soll. Wir haben unsere Lektion inzwischen doch gelernt – man wird halt älter und ist nicht mehr ganz so risikofreudig. Also tanken wir an der Grenze zu Frankreich und weil es nieselt, kauft Lotte beim Zahlen noch eine Frustschokolade. Sie hat allerdings die Ausrede, dass sie noch schnell Schweizer Schokolade probieren will. Immerhin sei das ja ein Schweizer Exportschlager.
Nach dem Pass bietet sich uns endlich ein Blick auf den Gletscher von Chamonix. Aber wir haben wenig davon, denn wir sind auf der Suche nach einem geeigneten Campingplatz. Der erste Platz, den wir ansteuern, ist zwar direkt im Ort, aber sehr schwer zugänglich und ziemlich voll. Lotte sieht sich das Ganze an, aber nachdem sie das Gerangel um die zwei vorhandenen Duschen, um einen guten Platz, um die wenigen Abwasch- und Waschmöglichkeiten und Strom mitbekommen hat, beschließt sie spontan, das sei ihr doch zu viel des Schlechten. Beim nächsten Platz werden wir weggeschickt, weil er voll ist. Der dritte Platz liegt ein wenig außerhalb, ist billiger und hat große, ebene Stellplätze, die sogar noch frei sind. Es ist doch seltsam, was drei Kilometer manchmal ausmachen. Bis wir es uns gemütlich gemacht haben, ist es finster und ziemlich kalt, denn genau vor uns und nur wenig höher liegen die zwei Gletscher von Les Bossons, die wir am nächsten Morgen in vollem Glanz der Sonne bewundern können.


Samstag, 20.7.



In der Nacht regnet es immer wieder, doch am Morgen ist der Himmel wieder wolkenlos. Lotte verzichtet auf den Ausflug zur Aiguille du Midi, weil sie sich nicht gut fühlt und die Auswirkungen der Höhenkrankheit fürchtet. 
Ich fahre mit dem Linienbus nach Chamonix. Vom Busbahnhof ist es nicht weit zur Talstation der Gondel.
Für das Ticket muss ich mich anstellen und dann noch einmal die Abfahrt von einigen Gondeln abwarten, bis es los geht.


Die Seilbahn hat 2 Abschnitte, vor allem der obere Abschnitt ist spektakulär. Ohne Zwischenstützen werden fast 1.500 Höhenmeter überwunden. Das Seil der Gondel hängt stark durch, daher fährt man am Anfang fast waagrecht dahin, während es auf den letzten Metern fast senkrecht nach oben geht.

An die obere Sektion schließt noch ein Lift innerhalb der Bergstation an, schließlich betrete ich die Aussichtsplattform in 3.842m Höhe.

Die höchsten Gipfel der Alpen sind heute in Sichtweite, sogar die Wolken um den Mont Blanc lösen sich bald auf.



Bei diesem Traumwetter stimmt die Realität mit den Schautafeln überein.

Nicht nur der MontBlanc zeigt sich von seiner besten Seite, auch die scharfzackigen Gipfel der GrandJorasse sind beeindruckend. Ich habe schon Vliesjacke und Windjacke angezogen, aber es hat nur knapp über 0°C und der Wind macht es nicht besser. Trotz Sonnenschein vermisse ich meine Handschuhe.

Nach einem Rundblick in alle Himmelsrichtungen stelle ich einen Rekord auf. Mutti´s legendärer Rotweinkuchen, den ihre Kinder und Enkelkinder immer auf ihre Reisen mitbekommen, wird erstmals in einer solchen Höhe gegessen – und schmeckt auch hier ausgezeichnet. Das Warten auf den Lift wird dann zu einer Geduldsprobe, es gibt nämlich technische Probleme mit dem Lift und keinen anderen Weg zurück in das Gebäude. Aber in einer halben Stunde erfriert man noch nicht, und dann funktioniert die Anlage wieder.

Dann besuche ich noch die anderen Aussichtsterrassen und den Zugang zum Gletscher.

Von der unteren Aussichtsterrasse habe ich einen guten Blick zum Campingplatz und kann sogar unseren Bus erkennen, der jetzt ca 2.800m tiefer steht.  Es gibt auch Ferngläser mit Münzeinwurf. Ich rufe Lotte an, sie stellt sich vor den Bus und winkt mit einem Tuch. Leider funktioniert der Blickkontakt nur in eine Richtung.


Durch einen Felstunnel komme ich zur Bergstation der Seilbahn, die mit jeweils drei gekoppelten Gondeln den Gletscher überquert und auf die italienische Seite des Bergmassivs führt, diese Fahrt dauert aber mit der Rückfahrt mehrer Stunden.

Ich verzichte darauf und fahre wieder hinunter zur Mittelstation. Diese liegt noch immer auf ca. 2.300m Höhe. Hier ist es schon wieder wärmer und ich entscheide mich dafür, zu Fuß weiter zu gehen. Ich bin noch weit über der Baumgrenze und ohne Schatten wird es mit jedem Meter bergab wärmer. Leider habe ich kein Getränk mitgenommen, Chamonix liegt noch tief unter mir und kommt nur langsam näher. Nach 2,5 Stunden erreiche ich endlich den Ort und bin völlig durchgeschwitzt. Zum Glück brauche ich nicht lange auf den Bus zu warten. Nach 15 Minuten Fahrt und einem kurzen Fußweg bin ich zurück am Campingplatz. Lotte sieht mir meine Erschöpfung an, kommt mit erfrischenden Getränken und überlässt mir freiwillig die bequeme Dreibeinliege.


Sonntag, 21.7.


Lotte geht es noch immer etwas wackelig und Peters Muskel protestieren ziemlich, aber ein bisschen Bewegung tut immer gut. Nachmittags wandern wir also am Fluss Arve entlang Richtung Chamonix. Der Wanderweg ist genau gegenüber den Gletschern und wir können uns gar nicht satt sehen.
In Chamonix endet er bei einem kleinen See und einer natürlichen Kletterwand.
Wir sehen den verschiedenen Klettergruppen zu und haben natürlich jede Menge Kommentare, wo es leichter wäre und dass man doch für diesen Weg wirklich nicht klettern können braucht usw. Jedenfalls amüsieren wir uns und gehen gemütlich zurück. Bei der Flussüberquerung sehen wir einige Leute auf Geräten aus Styropor mit kleinen Flossen an den Füßen den Fluss hinunter treiben. So sieht es zumindest für uns aus. Auf gut Sportdeutsch nennt sich das Hydrospeed. Sie landen genau bei der kleinen Holzbrücke, von der aus wir zusehen und wir erkundigen uns ein wenig über die Technik und die Möglichkeiten. So ganz reizt uns das nicht, denn der Fluss hat zwischen 2 und 4°C.
Zurück beim Bus machen wir einen gemütlichen Leseabend. Hier muss Lotte endlich etwas anbringen. Denn kaum hat sie irgendein Buch angefangen und legt es nach einer Weile weg, zum Beispiel um Essen zu machen oder zu duschen, schon sitzt ihr Mann ganz vertieft in ihr Buch da und denkt nicht daran, es wieder herauszurücken. Dabei gibt es doch noch geschätzte hundert andere Bücher, die er lesen könnte. Aber nein, das was Lotte gerade liest, ist das einzig wahre. Ärger!!!


Montag, 22.7.


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Wir versuchen, nicht allzu spät wegzukommen, denn wir haben eine ziemlich große Etappe vor uns. Zunächst geht es noch das Tal der Arve entlang, dann wieder hinauf nach Megève, ein Skigebiet, das wir noch von den Zeiten her kennen, als wir kein Schirennen am Flimmerkasten ausließen, vor dem sich zu diesen Gelegenheiten die ganze Familie versammelte. Das ist zugegebenermaßen schon ziemlich lange her. Bei der Auffahrt bietet sich uns ein letzter Blick auf den Mont Blanc. Der will uns zum Abschied wohl verwöhnen, denn er zeigt sich uns in seiner Pracht bis zum Gipfel, eine Seltenheit, auf die wir vor zwei Jahren auf der anderen Seite des Berges vergeblich gehofft haben. In Megeve gibt es eine billige Diskonttankstelle, die aber nur eine schmale und kurvige Zufahrt hat und offensichtlich für PKWs ausgelegt ist. Wir quetschen uns hinein. Beim Weiterfahren übersehen wir den hohen Betonsockel der Zapfsäulen und verbiegen dabei eine Zierkappe am Hinterrad.
Landschaftlich schön ist auch die weitere Strecke, bis wir vor Albertville auf die Autobahn auffahren. Wenn es schnell gehen soll, ist dies die einzige Möglichkeit, denn kleinere Straßen haben oft einen Asphalt, auf dem wir wie ein Punchingball herum hüpfen oder wegen der Schlaglöcher oder engen Stellen sehr vorsichtig fahren müssen.
Dazu kommen Ortsdurchfahrten, die wegen Verkehrsüberlastung jeder Art (Fußgänger, Radfahrer, Mopeds, Autos, Lastautos) Einbahnregelungen und Marktstandln sowieso unsere Nerven strapazieren. Also lieber Autobahn, fad aber schnell und schon sind wir in Grenoble, das wir auf der Umfahrungsstraße so schnell wie möglich umrunden wollen. Aber wieder einmal: der Mensch denkt und das Navi lenkt!! Denn es gibt, hurra, ja auch eine kürzere Route und die führt durch die Stadt. Als wir den Irrtum bemerken, ist es schon zu spät und so kurven wir durch die Innenstadt von Grenoble und haben Mühe, einen Übergang über die Isère zu finden. Und das ganze bei einer Affenhitze in einem Auto ohne Klimaanlage, dafür aber mit einer riesigen Frontscheibe, damit auch so richtig viel Nachmittagssonne hereinkommt. Wir reden nicht viel in dieser Stunde. Jede/r leidet still vor sich hin. Lotte versucht die Stimmung mit kühlen Getränken unter dem Siedepunkt zu halten.
Endlich draußen aus der heißen Stadt erreichen wir bald die Hauptattraktionen in dieser Gegend. Es sind die tiefen Schluchten am Fluss Bourne. Die Straße windet sich in vielen Kurven durch ein sehr enges Tal. Hier wurde sie teilweise in den Stein hineingeschlagen und so bildet der Fels an manchen Stellen fast ein Dach und ist an den niedrigsten Stellen nur 3,5m hoch. 
Das klingt vielleicht viel, aber mit einem Auto von 2,9m Höhe ist da nicht so viel Spielraum.

Von außen sieht es gar nicht so schlimm aus, aber innen zieht Peter fast den Kopf ein.
Als wir den von uns ausgewählten Campingplatz in Choranche erreichen, sagt man uns, es sei alles belegt. Wir sehen zwar noch genug freie Plätze, aber was sollen wir uns streiten!?
Besonders da es gegenüber einen Camping Municipal gibt, von dem wir vorher nichts wussten, der erstens viel schönere Plätze mit mehr Schatten hat, auch fast am Fluss liegt und außerdem noch billiger ist. Hier bleiben wir gerne und nachdem wir das Motorrad abgeladen haben, erwartet uns ein erfrischendes Bad im Bourne. Lotte hat vor dem Baden bei der Campingplatzeinfahrt einen handgeschriebenen Zettel gelesen, auf dem steht, dass hier jeden Montag um 18:00 Uhr ein Pizzaauto vorbeikommt.
Hurra, es ist Montag und Lotte hat nach diesem anstrengenden Tag überhaupt keine Lust zum Kochen. Also steht sie schon erwartungsvoll am Straßenrand. Tatsächlich kommt ein kleiner Bus an, der als Pizzeria fungiert und eine komplette Küche eingebaut hat. Ein kleines Stromaggregat wird daneben aufgestellt und versorgt den Pizzaofen. Hier wird der Teig vor Ort gemacht und dann ausgebacken. Zunächst möchte sie zwei Pizzen bestellen, aber nachdem die Frau sie ungläubig ansieht und ihr erklärt, wie groß diese sind, wird sie bescheidener. Eine reicht auch tatsächlich, denn die Spezialität der Region ist Pizza mit ganz viel Roquefort Käse und das gibt aus. So sparen wir uns für diesen Tag sogar den Abwasch und können noch für morgen unsere Fahrt mit dem Motorrad durch die bekannte Strecke des Vercorsgebietes planen.


Dienstag, 23.7.


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Da wir vor haben, noch am gleichen Tag weiterzufahren, sind wir früh aufgebrochen. Das klingt so einfach, aber wie ist das wirklich, wenn wir Motorradrundfahrten machen? Die leidigste Frage ist die nach der Kleidung. Wie heiß wird es? Sollen wir uns wirklich ins Ledergewand schmeißen und die Kevlarjeans anziehen? Wie gefährlich ist die Strecke? Brauchen wir den Nierengurt? Welche Schuhe sollen wir nehmen? Sollen wir unterwegs eine Bademöglichkeit einplanen und Badekleidung und Handtuch mitnehmen und wie ist es mit leichterer Kleidung zum Umziehen, falls es doch zu heiß wird oder wir ein Stückchen weiter gehen wollen? Wie steht es mit essen und trinken unterwegs? Was brauche wir sonst noch mit: Fotoapparat, Busschlüsseln, bequemes Luftpolster als Sitz für Lotte, Absperrvorrichtung für das Motorrad, kleines Werkzeugset, Bordapotheke. Die wichtigste Frage ist: Kriegen wir das alles in den Koffer, wenn wir das Motorrad abstellen? Die Kapazitäten so eines Motorradkoffers sind nun einmal sehr begrenzt. Und Peter ist da sehr genau. Da wird nichts hinein gequetscht. Der Koffer muss locker zugehen! Wenn wir dann also endlich all diese Entscheidungen getroffen haben, aufsteigen und die Helme aufsetzen, stellt sich in 90% der Fälle heraus, dass wir etwas vergessen haben. Also Motor wieder abstellen, Schlüssel abziehen, damit man in den Koffer kommt, wo der Busschlüssel drin ist, Bus aufsperren, Vermisstes holen, Bus zusperren, Schlüssel nicht auf den Tisch legen sondern wieder in den Koffer geben, Koffer zusperren, Schlüssel anstecken, Fußstütze rechts hochklappen, damit Peter starten kann, nach dem Starten wieder herunterklappen, damit Lotte aufsteigen kann. Geschafft, es kann endlich losgehen!
Gut, also diese ganze Prozedur haben wir glücklich hinter uns gebracht. Wir fahren aus dem Campingplatz hinaus Richtung Pont-en-Royans, ein sehr hübsch gelegener Ort und weiter auf unserer geplanten Rundtour, da streikt das Motorrad. Es tut einfach so, als hätte es kein Benzin. Hat es aber doch wohl! Peter sucht nach einem möglichen Fehler, kann aber nichts finden. Nach einer Abkühlungsphase startet es wieder und wir fahren sehr verunsichert weiter. In einem längeren Tunnel ist dann der Ofen aus. Tolles Gefühl: ein dunkler Schlauch, sehr laut und nicht gerade breit und bergauf geht es auch noch. Da wir das Licht am Ende des Tunnels, diesmal nicht sprichwörtlich, sondern real, sehen können, schieben wir die letzten 200m. Bei einem Kreisverkehr in der sengenden Sonne stehen wir dann ratlos herum. Eines ist sicher: wir trauen uns nicht weiterfahren, selbst wenn es wieder ginge. Was tun? Werkstätte kann man hier in der Einöde vergessen. Um den Bus zu holen, müsste Peter allein oder wir gemeinsam Autostop machen. Das dauert Stunden und löst unser Problem nicht. Wir stellen fest, dass wir bis jetzt nur bergauf Probleme hatten. Da es bis hierher so gut wie immer bergauf ging, haben wir vielleicht Chancen, zurück zu kommen, vielleicht ganz langsam, mit wenig Gas, damit sich unser kleines Moto nicht überanstrengt, wo es doch gerade so schwach auf der Brust ist. Wir beschließen, es zu probieren, starten (geht wieder) und fahren langsam zurück. Zu unserer Verwunderung klappt unser Plan hervorragend. Erst auf den letzten Metern vor der Campingplatzeinfahrt streikt es wieder, aber da rollen wir schon auf unseren Platz aus. Wir können uns vor erleichtertem Lachen kaum einkriegen. Also gut, die Vercorsrunde streichen wir aus Mangel an funktionsfähigem Equipment. Viel wichtiger erscheint uns jetzt, eine Yamahawerkstätte zu finden, denn ohne unser Moto geht es nicht. Wir packen zunächst und Peter hängt sich ins Internet. Da wir vor haben, an die Ardèche zu fahren, sollte es eine Werkstatt dort in der Nähe sein. Tatsächlich findet er einen Hinweis auf eine in Bollène und wir schwingen uns nach dem bekannten Rezept Autobahn = schnell möglichst gleich auf eine solche. Wir passieren Valence, diesmal ohne Navi außen herum und Montélimar. Das Rhonetal ist hier nicht wirklich interessant. Ab und zu lässt uns der Geruch von Lavendelfeldern tief einatmen. Einmal saust ein TGV auf seiner Trasse lässig durch die Landschaft. Lotte fährt sehr gerne Bahn und überlegt, was das für ein Gefühl sein muss, mit 400 km/h unterwegs zu sein, abgesehen davon, dass man natürlich in einem vollklimatisierten Raum sitzt, was gerade auch nicht schlecht wäre. Wir fahren an einem Kernkraftwerk vorbei und seine Kühltürme erinnern uns daran, wo auch wir Österreicher einen Teil unseres Stroms her bekommen. Bei Bollène gibt es eine Abfahrt und da wir die Adresse der Werkstatt ins Navi eingegeben haben, ist die Straße nicht schwer zu finden. Nur die Hausnummer macht Probleme. Wir stehen vor einem schönen alten Hotel mit Park, in den wir uns am liebsten zurückziehen würden, denn die Hitze hat wieder schwer erträgliche Ausmaße angenommen. Da weit und breit keine Werkstatt in Sicht ist, rufen wir dort an und Lotte lässt sich den Weg beschreiben. Kein Problem, es ist nur weiter vorne in derselben Straße. Dort angekommen, laden wir das Moto ab und ein Mechaniker ist so nett, es sich gleich anzusehen. Wir erklären ihm, was los ist und er blickt als allererstes in den Tank – verständlich. Peter vermutet ein Vergaserproblem, aber das würde bedeuten, dass wir es dort lassen müssten, und der Vergaser zerlegt werden müsste. Allerdings ist unsere Kommunikation mit dem Mechaniker etwas eingeschränkt, denn er versteht uns nicht und Lotte hatte in Frankreich noch nicht einmal ansatzweise irgendetwas mit Mechanikern, Autos, geschweige denn kaputten Motorrädern zu tun gehabt. Ihr Wortschatz ist da völlig am Ende. Der Mechaniker entscheidet, das Problem erst einmal selbst zu testen. Er schwingt sich auf das Gerät und fährt ein paar Runden. Als er wieder kommt, meint er, er könne nichts feststellen, es wäre alles ganz normal. Peter kann das nicht glauben und wir machen selbst eine Probefahrt. Aber obwohl wir alles Mögliche ausprobieren und mindestens 20 Minuten die kleine Stadt rauf und runter fahren, sodass ein Anrainer schon erbost aus seiner Einfahrt herausstürzt, lässt sich dem Motorrad nicht das kleinste Spotzen abringen. Alles geht wie immer. Wir kommen uns ein wenig dumm vor und trauen dem Frieden nicht wirklich. Aber wozu das Motorrad da lassen, wenn es eh funktioniert. Da wir ja nicht weit von Bollène am Campingplatz sein werden, lassen wir es dabei, bedanken uns und fahren verunsichert unserer Wege.
Bei Pont-St. Esprit überqueren wir die Rhone und von hier sind es nur noch ein paar Kilometer zu unserem nächsten Halt.
Seit ein paar Tagen hat Peter immer wieder mit Joachim von den Busfreaks übers Internet und telefonisch Kontakt aufgenommen. Der war die letzten Wochen in den Pyrenäen unterwegs und ist jetzt in der Nähe. Wir verabreden einen Treffpunkt am Campingplatz in der Nähe von St. Julian, direkt am Fluss Ardèche. Allerdings wird er erst morgen dort ankommen.
Wir richten uns inzwischen häuslich ein und können endlich den Schweiß dieses aufreibenden Tages im Fluss los werden. An dieser Stelle ist er zwar nicht tief genug zum Schwimmen, aber man kann sich treiben lassen, eine Steinstufe hinunterrutschen oder einfach nur planschen. Das Wasser ist überraschend warm, kein Gebirgsbach wie der Bourne. Abends gibt es Livemusik, aber das ist nicht so schlimm, denn zum Schlafen muss es ohnehin erst einmal abkühlen.


zu Teil 2: von der Ardeche bis Ainsa


zu Teil 3: von Ainsa bis zum Ossiachersee


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